Wir wollen ein Kind bekommen

Wir wollen ein Kind bekommen

Ich wollte immer ein Kind

von Janina M. Rudt-Angersbach

Ich wollte immer ein Kind. Schon seit ich ganz klein war hatte ich nur diesen einen übergroßen Herzenswunsch, dieses eine schwer zu erreichende Lebensziel. Als ich mit meinem Mann Marc im Sommer 2002 zusammenkam, wusste er bereits davon, denn wir waren schon vor unserer Beziehung mehr als nur gute Freunde. Auch in den darauf folgenden Jahren haben wir immer mal wieder über dieses Thema gesprochen und waren uns von Anfang an einig darüber, dass wir in unserem Leben unbedingt ein Kind haben möchten. Dass es zu unserem Leben dazugehören sollte.
Vor allem in den vergangenen drei Jahren, in denen wir nun schon zusammen wohnten, konkretisierte sich dieser Wunsch allmählich, so dass wir im Februar 2010 zum ersten Mal mit der nötigen Ernsthaftigkeit und dem konkreten Durchspielen dieser möglichen Situation begannen. Wirklich „gewagt“ haben wir diesen großen nicht überschaubaren Schritt letztendlich im Dezember vergangenes Jahr und wir hätten vorher nie damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde. Ich bezeichne diesen Erfolg gerne als „geplant ungeplant schwanger geworden“, denn noch im November wünschte mir mein Frauenarzt, zu dem ich routinemäßig zweimal im Jahr gehe und der von Anfang an felsenfest hinter uns und unserem großen Wunsch stand, viel Erfolg und dass es „schnell klappen“ sollte.
Ja, das hat es, wie wir heute, nach 37 Schwangerschaftswochen plus einem Tag und seit mittlerweile schon 12 Lebenswochen und drei Tagen, nun wissen, und mein allergrößter Herzenswunsch liegt gerade mit seinen ca. 56 cm und knappen 5 kg hier auf meinem Schoß und schläft so friedlich und wunderschön, dass keine Worte der Welt ausreichen würden, dieses Glücksgefühl für mich zu beschreiben. Mein Kind ist mein Leben. Mein ganzes Leben.
Wenige Tage vor Weihnachten fuhr ich mit Marc nach Disneyland Paris, noch vollkommen unwissend, dass sich unsere Tochter bereits ihren Weg in unser Leben bahnte, und diese Unwissenheit sollte auch noch bis Heilig Abend andauern. Natürlich habe ich bereits in den Tagen vor unserem Urlaubsantritt geahnt, dass irgendetwas mit mir anders war als sonst, aber da ich ein sehr ängstlicher Mensch bin, der gewisse Dinge lieber vor sich her schiebt, habe ich mich erst an Heilig Abend, abends, als wir gerade aus den Parks zurück in unser Hotel kamen, getraut, einen Test zu machen, in der großen endlosen Hoffnung, dass mich mein Körper und alle Anzeichen der letzten Tage nicht getäuscht hatten. Die zweite rosafarbene Linie erschien so schnell, dass ich kaum meine Gedanken zusammenbringen konnte und als Marc schließlich mit den Geschenken, die wir von zu Hause mitgenommen hatten, ins Zimmer kam, habe ich sofort zu ihm gesagt: „Ich glaube, es gibt doch keinen neuen Fernseher.“
Von da an überschlugen sich regelrecht unsere Gedanken und ersten Gespräche über unser Kind, unser Brioche, wie Marc es bereits einen Tag später nannte. Es war eine Mischung aus unbändiger (Vor)Freude, Aufgeregtheit, dem Durchspielen der nächsten Jahre mit Baby, Kleinkind, Schulkind, Teenager… aber auch Ängsten, wie viele Wochen ich wohl mit unserem Baby im Bauch schaffen und wie es mir körperlich damit ergehen würde, gemischt mit Zweifeln, ob ich, da Marc ja Vollzeit arbeiten geht, überhaupt alleine mit einem Kind zurechtkommen würde. Vor allem in den ersten Wochen, verbunden mit der Angst der ersten 12 kritischen Wochen, dem Risiko, dem jede Frau ausgesetzt ist, habe ich mir sehr viele Gedanken über die noch kommenden Wochen und Monate gemacht und wir beide haben stets gehofft, dass ich es wenigstens bis Ende Juni/Anfang Juli, der errechnete Entbindungstermin war der 31. August 2011, schaffe, dass ich mindestens über die Hälfte der 40. Schwangerschaftswochen komme, wobei das natürlich im Grunde genommen immer noch viel zu früh wäre.
Geschafft habe ich es letztendlich bis zum ersten Tag der 38. Schwangerschaftswoche, womit unsere Tochter nur ungefähr drei Wochen zu früh auf die Welt kam. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich bzw. wir, meine Familie, unsere Freunde und mein Frauenarzt niemals damit gerechnet hätten, dass ich es, verbunden mit dreiwöchentlichen Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen, wirklich so weit ins 3. Schwangerschaftstrimester hinein schaffe. Auch heute noch ist das mehr als unglaublich für mich, es ist ein enormes Wunder, und ohne mir selbst auf die Schulter klopfen zu wollen (wobei meine Hebamme meinte, dass ich das in jedem Fall und ohne schlechtes Gewissen tun könnte), muss ich zugeben, dass ich verdammt stolz auf mich und meinen (OI-)Körper bin! Ich habe ein Kind bekommen. Ich! Nach all den Jahren voller Träume und Sehnsüchte. Endlich!
Die Zeit der Schwangerschaft war eine wundervolle unbeschreiblich tolle Zeit, in der mir meine OI lediglich in den letzten Wochen Probleme bereitet hat. Ab der 35. Schwangerschaftswoche hatte ich oft sehr starke Rückenschmerzen, bekam Atemnot, sobald ich auf dem Rücken lag und Sodbrennen war mein täglicher beinahe 24-Stunden-Begleiter. Eine Woche, bevor ich zur Entbindung ins Krankenhaus ging, war für mich der Zeitpunkt erreicht, an dem ich auch zu Hause nichts mehr alleine machen konnte. Zum Glück hatte Marc zu diesem Zeitpunkt bereits Urlaub, so dass er mir beim Hinsetzen, Hinlegen und mich umsetzen helfen konnte. Heute, nach über 12 Wochen, die ich nun nicht mehr schwanger bin, ist es kaum noch vorstellbar, dass ich zum Schluss einen Bauchumfang von 118 cm hatte, bei einer Körpergröße von knappen 1,40 m. Ich war eine riesige Kugel. Ein Walfisch, wie ich mich selbst gerne bezeichnet habe.
So wurde also am 11. August 2011 um 11:19 Uhr hier in einem Bochumer Krankenhaus unsere über alles geliebte Tochter Josephine Emilia mit 44 cm, 2380 g und einem Kopfumfang von 33,5 cm per Kaiserschnitt in Vollnarkose, da eine PDA auf Grund meiner doch eher schweren Skoliose nicht klappte, geboren. Nach der Entbindung musste ich noch fünf Tage im Krankenhaus bleiben (wir konnten sogar ein Familienzimmer dort beziehen, so dass Marc die ganze Zeit über mit dabei war), doch unser Herzenswunsch konnte von Anfang an bei uns im Zimmer bleiben, hatte keine „Startschwierigkeiten“ und musste lediglich einmal am Tag auf die höher gelegene Kinderstation zum wiegen und Fieber messen.
Rückblickend kann ich sagen, dass wir eine wunderschöne Kennenlernzeit und erste Zeit hier zu Hause hatten und dass wir den Urlaub und die zwei Monate Elternzeit von Marc sehr genossen haben. Es ist eine wahre Freude zu sehen, wie unsere Tochter von Tag zu Tag etwas Neues kann, neue Fähigkeiten entdeckt und mit jedem Tag etwas aufmerksamer wird. Ihr Lächeln bedeutet für mich mehr als dass ich es jemals in Worte fassen könnte, es ist das Gefühl, endlich nach so vielen Jahren am Ziel zu sein, an meinem ganz persönlichen Lebensziel.
Vor kurzem sagte meine Mutter zu mir, dass es erstaunlich sei, dass ich bisher, weder in der Schwangerschaft noch jetzt, im durchaus oftmals stressigen Alltag mit Baby, noch nie „geklagt“ hätte, dass ich mich noch nie über irgendetwas beschwert hätte. Ich habe daraufhin nur gelächelt, denn wie hätte ich ihr so schnell, mit Worten, die es gar nicht gibt, erklären können, was mir mein Kind bedeutet? Mir wurde mein allergrößter Herzenswunsch in meinem Leben erfüllt. Wie könnte ich da jemals klagen.
Ich kann mir gut vorstellen, und bewusst schreibe ich es hier am Schluss, dass es manche von euch mit Sicherheit interessiert, ob unser Kind ebenso von OI betroffen ist. Wir haben sie noch nicht „richtig“ humangenetisch untersuchen lassen und haben dies im Grunde genommen auch nicht vor, aber laut verschiedenen Ärzten ist unser Herzensmädchen zu 99 % gesund. Wir können nicht in Worte fassen, wie glücklich wir darüber sind, macht es doch unser Leben und vor allem ihres um so vieles einfacher, doch möchte ich an dieser Stelle, wie auch in meinem Blog im OI-Forum mehrfach geschrieben, betonen, dass wir unsere Tochter selbstverständlich und bedingungslos genauso von Herzen lieben würden, wenn sie OI hätte. Dies war von Anfang an ein Risiko, das wir bewusst eingegangen sind und das für uns niemals einen Unterschied gemacht hätte.
Wir freuen uns auf Duderstadt 2012 und darauf, zum ersten Mal gemeinsam mit unserer Tochter dorthin zu fahren, mit ihr dieses verlängerte Wochenende zu genießen und sie im Kontakt mit all den anderen Kindern zu sehen. Ja, endlich gehören wir nun selbst dazu – in die große Gemeinschaft der Eltern.

 

Adoption – Eine Alternative?

von Rüdiger Döhrmann

Beim großen sommerlichen Grillfest des LV NRW wurde ich gleich von zwei jungen Paaren zu diesem Thema angesprochen. Ein Thema, was auch mich und meine frühere Ehefrau im Alter von ungefähr 30 Jahren sehr beschäftigt hat. Es als Alternative zu betrachten geht die Überlegung und Entscheidung voraus: Will ich das Risiko, einen evtl. betroffenen neuen Erdenbürger zu bekommen eingehen oder nicht? Sind  beide Eltern betroffen, durch welches das Risiko steigt? Kann ich die körperliche Belastung aufgrund der eigenen Einschränkung bewältigen? Möchte ich über, je nach Schweregrad, auch über die Probleme nachdenken, die der Nachwuchs evtl. hat. Habe ich zu diesen nur wenigen Fragen eine völlig andere Sichtweise?

In unserer damaligen Entscheidungsphase gab es zum Teil sehr unterschiedliche Meinungen. Zumindest wir haben uns für eine Adoption entschieden. Und nur davon soll hier die Rede sein. Zu den sicher sehr persönlichen Aspekten kann man mich gerne anrufen.

Adoption ist immer auch eine emotionale, eine Herzensangelegenheit oder  – etwas kühler bei  OI –  vielleicht eine Vernunftentscheidung. Man wünscht sich Familienglück, steht aber so mancher bürokratischen Hürde gegenüber. Der Auftrag der Adoptionsvermittlungsstellen ist es aber nicht, kinderlosen Paaren zu Nachwuchs zu verhelfen, sondern Eltern für bedürftige Kinder zu finden. Im Fokus steht das Wohl des einzelnen Kindes, das nicht in seiner Ursprungsfamilie aufwachsen kann. Wenn man sich dies immer vor Augen hält, werden so mache der „Hürden“ verständlicher. Möglich ist hier natürlich nur ein grober Überblick über die Möglichkeiten, Verfahrensweisen und auch eigenen Erfahrungswerten, die damals galten aber auch heute noch gelten.

Im Jahr 2011 wurden 4060 Kinder adoptiert. 39 mehr als 2010. Damit stabilisierte sich die Zahl der Adoptionen, nachdem sie zwischen 1994 und 2009 stetig gesunken war. Dies sind Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Zu den auch möglichen Auslandsadoptionen gibt es hingen laut Bundesamt für Justiz keine genauen Zahlen. Die Schwankungen resultierten in der Vergangenheit sicher aus einer Veränderung des Sexualverhaltens, des Themas  Aids und heute unter anderem auch  aus den Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin.

In der Regel gibt es in Deutschland die Möglichkeit einer Adoption mit Hilfe des örtlichen  Jugendamtes, des Adoptionsdienstes der christlichen Organisationen und die Auslandsvermittlungsstellen.

Jugendämter (Stadt, Gemeindeverwaltung) arbeiten nach einheitlichen, bundesweiten Gesetzen.  Um einen Einblick in das Leben der Adoptionswilligen zu erlangen wird nach Antragstellung sicher ein Hausbesuch stehen, um die persönlichen und wohnlichen Lebensverhältnisse kennen zu lernen.  Vorher wurde ein Führungszeugnis verlangt. Wünschenswert ist eine „gefestigte  Beziehung“, was nicht unbedingt Ehepaar heißen muss. Grundsätzlich ist auch eine Vermittlung an Einzelpersonen möglich, aber sicher schwieriger. Die Person/das Paar sollte finanziell abgesichert sein. Es wird eine gesundheitliche Beurteilung durch das Gesundheitsamt veranlasst. Hier ist sicher der Schweregrad der OI entscheidend, ob beide betroffen sind, ob man Rollstuhlfahrer ist oder nicht. Sollten beide zukünftigen Eltern Rollstuhlfahrer sein, sind die Chancen ehr gering. Das Alter der Antragsteller spielt heute nicht mehr eine große Rolle. Das beide nicht allzu alt sein sollten dürfte klar sein. Wartelisten in dem Sinne gibt es nicht mehr – jeder „Fall“ wird individuell entschieden und beurteilt. Die Wartezeit dürfte örtlich unterschiedlich sein. In der Regel werden Säuglinge und Kleinkinder vermittelt. Zunächst erfolgt eine Übergabe zur Pflege. Nach 8 Wochen mit dem ausdrücklichen Ziel der Adoption. Nach ca. 1 Jahr kann dann die notariell beglaubigte Adoption erfolgen. Aus einer  Abstammungsurkunde wird eine Geburtsurkunde mit allen Rechten und Pflichten.

Mit dem vom Jugendamt erstellten „Sozialbericht“ ist theoretisch eine Bewerbung bei anderen  Ämtern oder Organisationen möglich. Da die anderen Jugendämter aber auch ihre eigenen Bewerber haben ist das sicher nicht sehr erfolgversprechend.

Kirchliche Adoptionsdienste orientieren sich nach dem bereits verfassten „Sozialberichts“, arbeiten also in gewisser Weise mit den Jugendämtern zusammen. Sie arbeiten nach eigenen Aussagen nicht religionsabhängig. Zumindest in Wuppertal wurden auch schon muslimische Frauen betreut.  Ansonsten führen sie die Adoptionen eigenständig durch, natürlich unter Berücksichtigung der maßgeblichen Gesetzte und Vorschriften.

Auslandsadoption: Dies ist eine Option für Eltern, die sicher sein wollen, dass ihre Bemühungen auch in einer Adoption münden. Im Vorfeld sollte die Frage stehen: Zu welchem Land haben wir einen positiven Bezug. Denn das jeweilige Land gehört zur Identität des Kindes. Es gibt bundesweit 13  anerkannte Auslandsvermittlungsstellen, die für bestimmte Länder zuständig sind. Für NRW ist das die „Zentrale Adoptionsvermittlungsstelle Köln/Münster“. Maßgebend für deren Arbeit ist das  „Haager  Abkommen“ (siehe Internet). Aber auch eine Vermittlung abseits der Länder des Haager-Abkommens ist möglich. Verstärkt werden hier ältere Kinder, kranke oder behinderte Kinder oder  auch HIV-Betroffene vermittelt. Für eine Auslandsadoption muss mit Kosten von 15000,- € bis  20000,-€ gerechnet werden, da ggf. eine mehrfache  Anreise nötig ist, der Flug des Kindes bezahlt werden und die nötigen Papiere beschafft werden müssen. Erster Ansprechpartner kann auch hier das örtliche Jugendamt sein.

Allgemein kann gesagt werden, dass aus den leiblichen Eltern vor dem Kind und den Adoptiveltern heute kein Geheimnis mehr gemacht wird. Die Ämter bemühen sich um offene Verhältnisse – von wenigen individuellen Ausnahmen einmal abgesehen. Die Kinder sollten nicht mit einer ewigen Lüge aufwachsen. Dies fängt schon mit der Frage „War ich in deinem Bauch?“ an.

Wir bekamen unserem Sohn im Alter von 3 Tagen. Heute ist er 26 Jahre und wir haben unsere Entscheidung zu einer Adoption bis zum heutigen Tage nicht bereut.